8. Familientreffen der Kraniopharyngeom-Gruppe - Protokoll

16.-18. September 2005, Haus Düsse, Bad Sassendorf

< Fotos vom Treffen 2005 >

Pro Jahr erkranken in Deutschland ca. 30 Kinder und Jugendliche an einem Kraniopharyngeom, einem seltenen Fehlbildungstumor im Bereich der Schädelbasis. Für die Betroffenen stellt die Seltenheit der Erkrankung ein großes Problem dar. Selbst in großen Zentren ist ein Kontakt zu gleich Betroffenen nur schwer herzustellen.
Seit 1999 treffen sich die Mitglieder der Selbsthilfegruppe Kraniopharyngeom (www.kraniopharyngeom.de) jährlich zur Fortbildung und zum Erfahrungsaustausch. Das diesjährige Treffen in Haus Düsse, Bad Sassendorf, vom 16.-18. September 2005, wurde schon traditionell von der Deutschen Kinderkrebsstiftung veranstaltet und von PD Dr. med. Hermann Müller, Oldenburg, fachlich geleitet. Vorbereitet und organisiert wurde die Veranstaltung von den Mitarbeitern der Studienzentrale KRANIOPHARYNGEOM 2000 (Frau Ursel Gebhardt, Frau cand. med. Chrissi Kalentzi, Frau Eva Riehm, Frau Sabine Schröder, Schwester Anke Abken und Sr.Schülerin Julia Kaldewey) und den Vorstandsmitgliedern der Kraniopharyngeomgruppe. 210 Teilnehmer waren begeistert von der Atmosphäre in Haus Düsse und von den Fachvorträgen. Den betroffenen Patienten wurde erstmals die Teilnahme an wissenschaftlichen Untersuchungen angeboten, die im Rahmen des Treffens stattfanden.

PD Dr. med. Hermann Müller, Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin, Klinikum Oldenburg und Studienleitung von KRANIOPHARYNGEOM 2000, berichtete von den Ergebnissen einer Umfrage zum Essverhalten von Kraniopharyngeompatienten, die von Frau Dr. E. Mayer, München, durchgeführt wurde. In der Untersuchung zeichnete sich ab, dass adipöse Patienten durchaus unter gewissen Essstörungen leiden, besonders was das Sättigungsgefühl und die Essgeschwindigkeit betrifft. Andererseits zeigte die Auswertung von Ernährungstagebüchern der Patienten, dass es keine gesteigerte Kalorienaufnahme gab im Vergleich zu adipösen Patienten ohne Kraniopharyngeom.

PD Dr. med. Christian Roth, Universitätskinderklinik Bonn, berichtete von aktuellen Ergebnissen seiner Untersuchung von Urinproben der Patienten. Das sympathische Nervensystem reguliert den Aktivitätsgrad. Ist die Sympatikusaktivität eingeschränkt, werden bestimmte Eiweiße (Katecholaminabbauprodukte) im Urin vermindert ausgeschieden. Genau dieses Phänomen konnte im Urin der Patienten mit Adipositas und verminderter körperlicher Aktivität nachgewiesen werden. Der besondere Nutzen der Untersuchung besteht darin, dass man mit Medikamenten das sympathische Nervensystem fördern und die Ausscheidung der Stoffe im Urin und somit auch das körperliche Aktivitätsniveau der Patienten fördern könnte.

Über das Thema Lebensqualität bei Hirntumor-/ Kraniopharyngeomerkrankung berichtete Frau Dr. med. Gabriele Calaminus aus der Universitätskinderklinik Düsseldorf. Bei Kraniopharyngeompatienten hat die Messung der Lebensqualität besondere Bedeutung, weil es eine große Diskussion darüber gibt, welche Therapie am verträglichsten ist und die besten Ergebnisse hinsichtlich der Lebensqualität nach Behandlung des Kraniopharyngeoms ergibt. Die Lebensqualität hängt deutlich von Grad der Adipositas der Patienten ab. Untersuchungen mit dem PEDQOL-Fragebogen, wie sie in der Studie KRANIOPHARYNGEOM 2000 durchgeführt werden, geben bereits frühzeitig nach Diagnose verlässlich Auskunft über das Befinden der Patienten.

Ausführlicher Bericht von Frau Dr. med. Calaminus zur Lebensqualität »

Frau Dipl. Päd. Ulrike Bachmann, Universitätskinderklinik Würzburg, erläuterte sozialrechtliche Fragestellungen und Probleme zB bei der Einstufung des Behindertenstatus. Ihr Vortrag war durch besondere Praxisnähe geprägt und orientierte sich an den Fragen und Problemen der Betroffenen auf dem Gebiet.

Herr Dr. Fabian Pohl aus der Klinik für Strahlentherapie der Universität Würzburg erläuterte das strahlentherapeutische Vorgehen bei Kraniopharyngeom, die Durchführung einer solchen Bestrahlung und die Aussichten auf neue Bestrahlungstechniken, die in Zukunft verfügbar sein werden (Protonenbestrahlung).

Herr Prof. Dr. Niels Sörensen, Leiter der Abteilung für Pädiatrische Neurochirurgie des Klinikums Würzburg, illustrierte anhand eines Videomitschnitts einer Kraniopharyngeomoperation das operative Vorgehen. Der Vortrag von Prof. Sörensen wurde begeistert aufgenommen nicht zuletzt wegen der allgemeinverständlichen Erklärungen, die Möglichkeiten und Grenzen der Operation auch für (betroffene) Laien verständlich machten.

Im Rahmen einer Expertensprechstunde beantworteten Frau Dr. Calaminus, Frau Bachmann, Prof. Sörensen, Dr. Pohl und Dr. Müller die Fragen der Betroffenen. Viele Fragen kreisten um die Verbesserung der hormonellen Einstellung, aber auch um neue medikamentöse Ansätze wie Melatonin und zentrale Stimulantien bei Tagesmüdigkeit und erste Erfahrungen mit dem Magenbanding bei ausgeprägtem Übergewicht. Im Anschluss an die Expertensprechstunde standen die Experten für individuelle Beratungsgespräche zur Verfügung.

Im Rahmen des 8. Familientreffens wurde den Betroffenen erstmals die Teilnahme an wissenschaftlichen Untersuchungen angeboten. Das Angebot wurde sehr begrüßt und gut angenommen. Frau Dr. Calaminus und Herr Dipl. Psych. Wiener (Universität Düsseldorf) boten eine neuropsychologische Testung an, die von 40 Patienten wahrgenommen wurde.
In letzter Zeit wurden „neue Hormone“ entdeckt (PYY), die im Magen-Darm-Trakt gebildet werden und im Nervensystem ein Sättigungsgefühl hervorrufen. Die Untersuchung dieser Hormone muss im Nüchternblut, d.h. morgens vor dem Frühstück erfolgen. Diese gastrointestinalen Hormone sind auch deswegen sehr interessant, weil sie möglicherweise erklären könnten, wieso ein Magenbanding für Patienten mit extremem Übergewicht eine Behandlungsmöglichkeit darstellt. Wir hatten in den letzten Monaten bereits versucht, durch venöse Entnahme von Nüchternblutproben bei Patientenbesuchen in Oldenburg weiter zu kommen. Aber die lange Anfahrt nach Oldenburg war oft ein verständliches Problem. Wir konnten erfreulicherweise 45 Patienten im Rahmen des 8. Familientreffens durch Nüchternblutentnahme untersuchen. Dafür allen Teilnehmern ganz herzlichen Dank. Wir sind sehr stolz, dass wir eine solche (bisher einmalige) Untersuchung mit Unterstützung der Gruppe erfolgreich durchführen konnten.
Die Auswertung der individuellen Testergebnisse zu o.g. Untersuchungen wird allen Teilnehmern zugehen. Wir werden nächstes Jahr im Rahmen des 9. Treffens der Kraniopharyngeomgruppe von den Resultaten der Gesamtauswertung berichten.

Auf der Mitgliederversammlung am Samstag Nachmittag wurden die Arbeitsschwerpunkte der Kraniopharyngeomgruppe für das nächste Jahr besprochen. Aufgrund der idealen Gegebenheiten in Haus Düsse beschlossen die Gruppenmitglieder einstimmig, auch zum nächsten Treffen der Kraniopharyngeom-Gruppe vom 29.09. bis 01.10.2006 wieder nach Bad Sassendorf zu kommen. Vorläufiges Programm und Anmeldung ab Frühjahr 2006 unter www.kraniopharyngeom.de.

Ein besonderer Gewinn für alle Teilnehmer war die Möglichkeit, ungezwungen mit anderen Betroffenen und den anwesenden Experten viele Fragen zu besprechen und ein wunderschönes Spätsommer-Wochenende gemeinsam zu verleben.

Gruppenfoto beim Treffen 2006 - Bitte klicken um es zu vergrößern

 

Priv. Doz. Dr. med. Hermann Müller
Klinik für Allgemeine Kinderheilkunde, Hämatologie / Onkologie
Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin, Klinikum Oldenburg gGmbH
Dr.-Eden-Str. 10, 26133 Oldenburg
E-Mail: mueller.hermann @ klinikum-oldenburg.de

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